Eine kurze Geschichte des Pflegeheims
Moderne Altenpflegeeinrichtungen, wie wir sie in Deutschland heute kennen, haben sich im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt. Sie haben sich dabei im Laufe der Zeit sehr verändert, denn die Ansprüche an die Versorgung im Alter haben sich enorm gewandelt. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA, Köln, 2012) unterscheidet fünf Generationen von Pflegeeinrichtungen.
Die erste Generation
Im Zeitraum 1940-1960 wurden die ersten Häuser speziell für alte Menschen gebaut. Vom Typ her bezeichnet das KDA sie als „Verwahranstalt“. Es ging hauptsächlich darum, „alten Menschen einen Schlaf- und Essplatz zu bieten“ (KDA 2012, S. 15). Von professioneller Pflege konnte meist keine Rede sein. Menschen wohnten in Zwei- bis Vierbettzimmern. Die Ausstattung war in der Regel sehr bescheiden.
Die zweite Generation
In den „Verwahranstalten“ konnten schwer pflegebedürftige Menschen kaum gut versorgt werden. So reagierte man in der zweiten Generation von Pflegeheimen auf dieses Problem. Die medizinische und pflegerische Versorgung verbesserte sich, dafür hatten Altenwohneinrichtungen eher den Charakter von Krankenhäusern.
Die dritte Generation
In den 80er Jahren hat sich dann die Erkenntnis durchgesetzt: Menschen werden in Pflegeeinrichtungen nicht nur versorgt, sie wohnen da auch. Ein Wohnort sollte auch einigermaßen wohnlich aussehen, freundlich, nicht kalt und steril wie eine Klinik. Der Mensch sollte dort auch Privatsphäre haben (nebenbei: Damit hapert es in vielen Pflegeeinrichtungen bis heute). Neben den baulichen Neuerungen hat sich auch die Altenpflege verändert: Der Erhalt der Selbständigkeit des Menschen rückte zunehmend ins Blickfeld, und damit auch die vielfältigen Ressourcen, die alte Menschen haben, auch wenn sie pflegebedürftig sind.
Die vierte Generation
In den 90er Jahren ging man noch einen Schritt weiter. Beim sogenannten „Hausgemeinschaftskonzept“ ging es nun darum, nicht mehr nur ein gutes Wohnen, sondern auch ein gutes Zusammenleben zu ermöglichen. In großen Wohnbereichen mit bis zu 30 Menschen ist dies schwierig. Deshalb sind die Wohneinheiten einer Hausgemeinschaft kleiner: 6-12 Personen haben ihre Zimmer rund um einen Gemeinschaftsbereich, in dem ein Mitarbeiter (eine sogenannte Präsenzkraft, häufig eine Betreuungs- oder Hauswirtschaftskraft) den Tag über für die Menschen da ist, mit ihnen gemeinsam kocht und den Tag verbringt. Die Pflege ist zwar im Haus, kommt aber nur für die unmittelbar pflegerischen Tätigkeiten vorbei. Auf diese Weise soll ein möglichst „normaler“, nicht heim-mäßiger Alltag gelebt werden. Dieses Konzept hat sich allerdings nur vereinzelt durchgesetzt. Ein Großteil der Altenpflegeeinrichtungen kann man auch heute noch eher der „Generation 3“ zurechnen. Allerdings: Einzelne Elemente des Hausgemeinschaftskonzepts finden sich doch öfter. So sind beispielsweise zusätzliche Betreuungskräfte häufig einem bestimmten Wohnbereich zugeordnet und nehmen dort ähnliche Aufgaben wie eine Präsenzkraft wahr.
Aufbruchstimmung
Wir sind im zweiten Jahrtausend angekommen. Heute sind die über 80jährigen Menschen die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe. Erst durch diese Veränderung fangen wir als Gesellschaft jetzt an, die Rechte und Bedürfnisse von Menschen in dieser Lebensphase in ihrer Gänze wahrzunehmen. Zu diesen Rechten gehört nicht nur eine gute Versorgung, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe. Menschen dürfen nicht, nur weil ihre Stimme in der Gesellschaft immer leiser wird, ausgegrenzt und abgeschottet in Einrichtungen versorgt werden, in die kein Außenstehender hinein und kein Bewohner heraus kommt.
Das heißt: Pflegeheime müssen sich öffnen für die Umgebung, in der sie sich befinden. Warum sollen Bewohnerinnen und Bewohner nicht im Stadtteil unterwegs sein und auch Angebote außerhalb der Einrichtung nutzen können? Warum sollen nicht Vereine die Räume des Pflegeheims nutzen? Dies ist das Ziel der fünften Generation von Pflegeeinrichtungen: Ein einladender Ort zu sein für Menschen im Stadtteil oder im Dorf. Eine Organisation, die viele Beziehungen pflegt: zur Kirchengemeinde, zu Vereinen, zu ehrenamtlich engagierten Bürgern, zu Kindergärten und Schulen. So dass auch die in ihr lebenden alten Menschen weiterhin „dabei und mittendrin“ sind. Noch stehen die meisten Pflegeeinrichtungen hier ganz am Anfang. Aber da tut sich was! Vielleicht sind Sie in der Betreuungsarbeit unter den ersten, die an diesen Entwicklungen beteiligt sind und in ihrer Arbeit davon profitieren.
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Gut leben im Alter. Auch mit Demenz.
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